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50 Jahre Personalwirtschaft | 1983
4. März 2024
Sehr geehrte Damen und Herren,
1983 bekam ich von meinem damaligen Ausbildungsleiter zur Zwischenprüfung ein Buch mit dem Titel „Warum sind die Japaner besser?“ geschenkt. Damals blickten viele Wirtschaftslenker und Politiker staunend nach Fernost zur aufstrebenden Wirtschaftsmacht Japan. Und auch in der Personalwirtschaft findet sich gleich zu Beginn des Jahres 1983 ein interessanter Artikel über das Arbeitsleben in Japan. Unter anderem angesprochen wird dort die routinemäßige Überarbeitung vieler Menschen. Ein Problem, das es auch heute noch gibt – und zwar nicht nur in Japan.
Immerhin bei einem Thema haben sich Wissenschaft und Praxis doch bewegt: Graphologische Gutachten gehören in der Personalauswahl mittlerweile weitgehend der Vergangenheit an – auch wenn es natürlich immer wieder mal Ausnahmen gibt. 1983 veröffentlichten unsere Vorgänger bei der Personalwirtschaft hingegen noch einen Beitrag, der eine regelrechte Euphorie versprühte. Auch wenn einige Ausgaben später eine Gegenmeinung publiziert wurde: Heute würden wir so etwas nicht mehr veröffentlichen.
Viel Spaß bei unserer HR-Zeitreise,
Ihr
Erwin Stickling
Herausgeber Personalwirtschaft
Das Jahr in der Personalwirtschaft
1983: Neue Möglichkeiten der Graphologie
„In den Stellenanzeigen wird der Wunsch nach handschriftlichen Bewerbungsunterlagen Woche für Woche deutlicher.“ So beginnt das Intro des Wirtschaftspsychologen W.E. Lehmann zu seinem Beitrag „Personalauswahl mit Schriftgutachten“ im Januar-Heft der Personalwirtschaft. Er stellt mit SAMOS ein angeblich seit 1982 in der Schweiz und in Deutschland etabliertes Konzept der Schriftdiagnose, der Graphologie, vor. Der wohlklingende Name steht dabei für „Selektiv anforderungsbedingte messbar objektivierende Schriftdiagnose“.
Mit dieser Methode könnten bis zu 25 Persönlichkeitsmerkmale anhand der Handschrift analysiert werden, verspricht Lehmann. Im Hintergrund arbeitet eine an KI-anmutende Technik: „Aus rund 876 Millionen möglichen Querverbindungen, Kombinationen und gegenseitigen Abhängigkeiten von zentralen und peripheren Persönlichkeitsaspekten errechnet eine IBM 34-Anlage von jedem Persönlichkeitsmerkmal den prozentualen Ausprägungsgrad.“ Und das in Nanosekundenschnelle. Valide sei die Methode auch, da Parallelgutachten von konventionell arbeitenden Schriftpsychologen eingeholt und zudem mit den Schrifturhebern klassische Persönlichkeitstest durchgeführt wurden, die zu ähnlichen Ergebnissen kämen.
So seltsam diese Euphorie aus heutiger Sicht klingt, bleibt sie immerhin auch 1983 nicht unwidersprochen. In der Juni-Ausgabe nämlich warnt der Arbeitsrechtler Karl Linnenkohl vor dem unbedarften Einsatz der Graphologie. Er verweist auf die gängige Lehrmeinung, dass die Schriftdiagnose nicht valide sei. Und auch aus rechtlicher Sicht rät er Personalern zur Vorsicht. Denn die Begutachtung bedarf der Einwilligung des Betroffenen und sollte nur von einem Fachpsychologen vorgenommen werden. Zudem dürfe sich das Gutachten nur auf die arbeitsplatzbezogenen Fähigkeiten des Bewerbers erstrecken. Mindestens zwischen Zeilen liest man aber auch an diesen Stellen des Beitrags: Lasst den Unsinn!
Zum Glück gibt es im Jahrgang 1983 (und in den gut 40 folgenden Jahren) zahlreiche andere Beiträge in der Personalwirtschaft, die sich mit der systematischen Auswahl von Bewerbern auseinandersetzen und dabei Instrumente außerhalb von psychologischen Tests in den Blick nehmen.
Zahl des Jahres: 4,3 Tage
Japanische Arbeitnehmer haben laut dem japanischen Arbeitsministerium im Durchschnitt nur 4,3 Tage Urlaub im Jahr genommen. Das geht aus einem Artikel in der Januar-Ausgabe hervor. Die Autoren Walter Simon und Rolf Behrens beschreiben dort unter anderem die soziale Bedeutung der Arbeitsstätte für den japanischen Arbeitnehmer. So stehe hinter dem sogenannten Shushin-koyo-Prinzip eine Art Lebenszeitanstellung. Diese besondere Loyalität bringe eine Arbeitsmentalität hervor, die dazu führt, dass Japaner zahlreiche unbezahlte Überstunden leisten und nur wenig Urlaub nehmen.
Das scheint heute, 40 Jahre später, immer noch ein Phänomen zu sein. Berufseinsteiger haben zwar mittlerweile einen gesetzlichen Anspruch auf zehn Tage Urlaub im Jahr, der nach längerer Berufszugehörigkeit sogar auf 20 Tage steigen kann. Aber der Anspruch wird immer noch zu selten genommen. 2015 führte die japanische Regierung die Pflicht ein, mindestens fünf Tage Urlaub im Jahr zu nehmen.
Zitat des Jahres
„Bei uns ist das nicht Brauch, dass man jedem Neueintretenden besondere Instruktionen gibt. Wer arbeiten will, findet hier genug Arbeit.“ (Werner Siemens, 1882)
Mit diesem Zitat steigt Alfred Kieser, ein bekannter Organisationstheoretiker der Universität Mannheim, in seinen Beitrag zur Einarbeitung neuer Mitarbeiter im September-Heft ein. Er berichtet über die Ergebnisse einer Sozialisationsstudie. Diese unterstreicht die Wichtigkeit der Einarbeitung gleich zu Beginn des Starts in den neuen Job. In dieser ersten Phase können Konflikte auftreten, die die Bindung und Produktivität erheblich beeinflussen. Deshalb seien regelmäßige Feedback-Gespräche mit dem Vorgesetztem unerlässlich – und wichtiger als ein Patensystem.
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